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Blogpost aus Mora


2025-04-25

Schulbesuch im Naturkundemuseum - Kapitel 3 - Teil 1

Schulbesuch im Naturkundemuseum der Akademie der Ewigen Magie – Kapitel 3
1
Petrus rieb sich den brummenden Kopf, mit seinen Notizen in der Hand neben einen ausgestopften Troll stehend. Seine Ahnung, dass diese Führung mit einer Grundschulklasse nervenaufreibend werden würde, war bei weitem übertroffen worden. Dass die Kinder es nicht sein lassen würden, mit diesen uralten Märchen, mit denen ihre unwissenden Vorfahren einst ihre eigene Ignoranz über die natürliche Welt kaschierten, diese Hallen des Wissens zu stören, konnte man ja voraussehen. Doch dass das Ganze zu einem regelrechten Religionskrieg ausarteten würde, warf seinen alten Plan über den Haufen, solche Diskussionen einfach zu blocken, bevor sie überhaupt begannen. Der junge Student rieb seine Stirn noch etwas fester, sich selbst fragend, warum er nicht einfach den Haufen seinen Plan zurückrollen ließ. Er hätte einfach freudig zur Kenntnis nehmen können, dass der sehr dogmatisch eingestellte Junge von der Führung verwiesen worden war. Doch irgendwie wäre dies ihn nicht recht gewesen, obwohl, oder vielleicht gerade, weil das Verhalten des Jungen ungute Kindheitserinnerungen hochkommen ließ. Nun stellte sich aber die Frage, wie er diese Auseinandersetzung angehen sollte, vor allem weil Gabriel nach dem letzten Ausfall sicher noch verbissener auf seinen Glauben pochen würde. Wie sollte Petrus das angehen? Wenn er offen mit seinem Atheismus wäre, würde der Junge sicher in ihm den leibhaftigen Teufel sehen und …
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Erneut kam eine Erinnerung hoch, als Petrus selbst ein kleiner Junge gewesen war. Jene an seinen ersten, echten Lehrmeister, welcher ihm ohne Vorbehalte Dinge über die Evolutionstheorie beibrachte. Selbst nachdem Petrus ihn einmal zerriss.
3
Als sich endlich das nervöse Brummen in seinem Schädel beruhigte, kam schon die Schulklasse in den Saal herein. Und sie begannen sehr zu Petrus’ Ungemach zu kichern und zu lachen, zwischen den massigen, baumstammbreiten Beinen der einen Riesenstatue zu deuten. Er würde nie diese unreife und vulgäre Erheiterung verstehen. Ja, es war ein ziemlich langer und dicker Penis, mit dem man einen Mann hätte erschlagen können, doch in allem eben nur ein Fortpflanzungsorgan. Seine kleine Verärgerung schob Petrus rasch zur Seite als sein Blick auf Gabriel fiel, der ebenfalls gekommen war, an der Seite des Lehrers, der ihn mit Argusaugen bedachte. Dies entging dem Jungen selbst wohl nicht, denn er wirkte nicht nur noch missmutiger, sondern auch angespannter, wachsamer. Wie ein Krieger Gottes, der allzeitbereit seinen Schild des Glaubens hielt. Petrus ahnte, wenn er einfach nur seine Führung begann, würde genau dasselbe wie zuvor passieren: Der Junge hält seinen Schild des Glaubens vor sich, während „ketzerische“ Worte in seine Ohren einfielen und immer mehr seinen Zorn anfachten. Bis er es nicht mehr ertrug und mit seinem Schwert des Wortes Gottes ausschlug. Dem Unausweichlichen nicht ausweichen wollend, schritt Petrus auf Lehrer und Schüler zu, fest entschlossen sich im Parieren zu versuchen.
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„Sei gegrüßt und willkommen in dem Saal, die unseren Vorfahren und Verwandten gewidmet ist, Gabriel“, ergriff Petrus das Wort, wohlwissend, dass dies ein sehr gewagter Einstieg darstellte. Dementsprechend tobte es sogleich aus dem Mund des Jungen heraus: „Sie meinen diesem Saal voller Missgeburten, die sie ausstellen, um …“ „… um unseren Stand als Gottes heiligste Schöpfung zu leugnen“, webte ruhig und bestimmt Petrus die Tirade weiter. „Und dies tun wir, weil wir die Autorität des allmächtigen Schöpfers nicht anerkennen wollen. Denn wir sind feige Sünder, die sich unseren Gelüsten hingeben wollen, ohne uns rechtfertigen zu müssen. So wie die Bibel es verkündet: ‚Der Narr spricht in seinem Herzen: „Es gibt keinen Gott!“ Sie handeln verderblich, und abscheulich ist ihr Tun; da ist keiner, der Gutes tut.‘“ Ein Moment lauter Überraschung vibrierte durch den Saal, sogleich von einer Mädchenstimme eingefangen werdend: „Sind Sie etwa auch ein Christ?“ „Einer gewesen“, bejahte Petrus halb, worauf Gabriel tobte: „Ein Apostat! Schlimmer …!“ „… als ein Ungläubiger. Dessen bin ich mir bewusst“, zog Petrus erneut den Gesprächsfaden an sich. „Damit dürften unsere beiden Positionen definiert worden sein. Die Frage, die sich jetzt stellt, ist, wie wir von diesem Punkt weiter verfahren wollen?“ Eine dramatische Pause, um die Reaktion des Jungen abzuschätzen. Wie erhofft, erreichte Petrus leicht verworrene Wortwahl einen kurzen Moment der Verwirrung, die Gabriel benötigte, um das Gesagte zu verarbeiten. Der Student erlaubte dem Jungen nicht, diesen Moment zu Ende zu denken. Stattdessen begann er seine Parade, wohl wissend, dass er sie ganz vollbringen musste, da sonst Gabriel alles abblocken wurde, nichts an sich heranlassen. „Vorneweg gesagt, ich werde keine Störung meiner Führung dulden“, erklärte Petrus, worauf der Junge die Arme verschränkte: „Und ich werde mir nicht Ihre Lügen anhören!“ „Dir steht noch immer die Möglichkeit offen, im Eingangssaal zu warten“, erwiderte Petrus weiterhin ruhig und bestimmt. „Die andere wäre hingegen, an meiner Führung teilzunehmen. Und anstatt die nun bekannten Anklagen der Sündigkeit vorzutragen, könntest du Fragen stellen.“ „Niemals!“, keifte der Junge. „Sie wollen doch nur bei mir Zweifel säen, die meinen Glauben zersetzen!“ „Was ich will, ist, dir und deinen Klassenkameraden die Erkenntnisse zu veranschaulichen, die die Wissenschaft über die Abstammung des Menschen, der Trolle und der Riesen über die letzten Jahre hinweg erlangt hatte. Ich will dir Wissen geben. Dasselbe Wissen, welches zugegebenermaßen mich einst meinen Glauben hinterfragen ließ.“ „Mein Gott, Sie verhüllen ja nicht einmal Ihre kranke Absicht!“, entfuhr es Gabriel und er wandte sich angewidert ab. „Ich habe genug ertragen.“ „Dann gehe ruhig“, erlaubte Petrus. „Doch würdest du damit nicht eingestehen, dass dein Glauben ebenso schwach ist, wie meiner es einst gewesen war?“
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Der Schritt des Jungen stoppte nicht und für ein Moment fürchtete Petrus, dass sein Wagnis nicht aufgegangen war. Doch denn blieb Gabriel stehen und er wandte sich wieder dem Studenten zu. Kein Wort kam von seinen Lippen, doch dafür sprachen seine sich harsch regenden Züge deutlich, dass er trotz seines aggressiven Misstrauens wissen wollte, was Petrus gerade meinte. Somit erlaubte sich der Student, das Wort erneut zu ergreifen: „Der naheliegende Schluss wäre, dass du vor der Versuchung fliehst, weil du fürchtest, dieser zu erliegen.“ „Halten Sie mich für blöd?“, keifte der Junge. „Es ist offensichtlich, dass Sie mich mit Stolz, mit einer der Todsünden ködern wollen!“ „Das hat nichts mit Stolz zu tun“, schüttelte Petrus entschieden den Kopf. „Schließlich war es nicht Stolz, welcher Jesus Christus in die Wüste trieb, um zu fasten. Wo er sich den Versuchungen durch den Teufel ausgesetzt sah. Welcher er nicht entfloh.“ „Stattdessen hörte er den Teufel an, vernahm seine Versuchungen“, webte der Junge den Faden weiter, nicht einmal begreifend, dass er verstand. „Und widerstand, indem er ihnen widersprach.“ „Und um dasselbe bitte ich dich“, nickte Petrus. „Allein Wissen will ich dir anbieten. Ob du es annimmst oder ihm widerspricht, ist deine Entscheidung allein. Ich werde alle deine Fragen beantworten, ganz gleich wie kritisch sie sind. Gewähren muss du mir dafür nur denselben Anstand, wie Jesus Christus ihn dem Teufel entgegenbrachte.“ Erneut verschlossen sich die Lippen des Jungen und er kämpfte sichtlich mit sich. Dann aber nickte er langsam: „Machen Sie sich aber keine Hoffnung. Ich werde wie Christus Ihre Verführungen von mir abprallen lassen.“ „Es ist nicht meine Absicht, etwas zu durchbrechen“, vernahm Petrus es zufrieden, bevor er sich an die ganze Klasse wandte: „Danke, dass ihr euch geduldet habt. Wir werden nun ohne weiteres Umschweifen diese Führung beginnen.“

Der nächste Teil der Geschichte wird in zwei Wochen, am 09. Mai 2025, veröffentlicht.

Admin - 07:01:33 @ Naturkunde, Erzählung | Kommentar hinzufügen