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Blogpost aus Mora


2023-09-14

Hiti und die Tieflinge - Teil 1

1
Vor langer, langer Zeit wurde eine kleine Schlange geboren. Jedoch nicht eine gewöhnliche, sondern eine, die von den Göttern gefürchtet wurde, denn man sagte ihr nach, dass sie mitverantwortlich für das Ende der Welten und aller Wesen sein würde. Auch wenn man wusste, dass dies unabwendbar sein würde, so warf man die Schlange herab in die Untiefen der Meere der menschlichen Welt, wo sie für Mann und Gott keine Gefahr darstellen würde.
2
So schlängelte die kleine Schlange allein durch die Finsternis einer Welt, die für den Menschen noch ferner, noch unergründlicher war als der Nachthimmel. Viele Kreaturen, unfassbar für die Vorstellungskraft sterblicher Wesen, versuchten die kleine Schlange zu fressen, doch sie allesamt fielen ihrem Hunger zum Opfer und dienten als Nahrung ihres unermüdlichen Wachsens.
3
Über die Äonen wuchs die Schlange stetig, aber stets allein in der Dunkelheit. Doch eines Tages – da war sie schon so groß, dass der Meeresboden unter ihrem schlängelnden Körper erzitterte – bemerkte sie kleine Lichter in der Untiefe. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten verspürte sie Angst, denn das einzige Licht, an welches sie sich erinnern konnte, war jenes der Sonne, die gleichgültig schien, als die Götter die Schlange verbannten. Sie öffnete ihr riesiges Maul mit den Zähnen so groß und bedrohlich wie Bergspitzen. Ihr Körper wand sich Felsen zerschmetternd, bereit jede Gefahr zu erdrücken. Doch als die Lichter näherkamen, sah die Schlange nur winzige Gestalten, die um sie herumhuschten, nicht zu nahekommend, aber auch nicht fliehend.
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Es war ein Stamm von Tieflingen gewesen, die die Nähe der Schlange suchten. Wesen, halb Mensch, halb Fisch, die als die kleinsten Wesen in der Untiefen des Meeres sich vor vielen Kreaturen fürchten mussten, weshalb sie die Nähe von riesigen Meeresungeheuern suchten. Denn diese hatten zumeist kein Interesse an den winzigen Tieflingen, schreckten aber durch ihre Präsenz kleinere Jäger ab, die dem Stamm gefährlich werden konnten. Die Schlange duldete die Tieflinge und beobachtete sie, wie sie ihre aus großen Schuppen zusammengesetzten Zelten in den Meeresboden festhakten. Sie sah, wie die kleinen Wesen die wenigen Kreaturen jagten, die klein genug für das Erlegen waren, und nach Algen suchten. Und sie hörte ihre Sprache, wenn sie tanzten und sangen. Zum ersten Mal verspürte die Schlange etwas, was sie die ganze Zeit geplagt hatte, ohne dass sie es aber erkennen konnte: Einsamkeit. Die drehenden Bewegungen ihrer kleinen Körper und der das Wasser durchschneidende Klang ihrer Stimmen zeigten der Schlange, dass es mehr im Leben gab als eine endlose Finsternis.
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Zum ersten Mal wollte die Schlange mehr als nur bloßes Fressen. Sie wollte näher an die Lichter heran. Doch jedes Mal, wenn sie sich regte, gerieten die Tieflinge in Panik und zogen sich zurück, immer Abstand halten. Also versuchte die Schlange, ihre Worte nachzuahmen, ohne zu wissen, was sie bedeuteten. Zuerst schien dies nichts zu bringen, doch dann traute sich eine besonders mutige Tieffrau heran. Ihre Brüder und Schwestern hielten ihre Kiemen still, als sie ganz nahe an eines der gelben Augen der Schlange heranschwamm, einen Moment lang sich in der riesigen, schlitzförmigen Pupille verlierend. Dann schwamm sie aber weiter, hoch zu der Stirn der Schlange, wo sie ihre mit Schwimmhäuten besetzte Hand auf eine Schuppe legte. Zur Überraschung der anderen ließ die Schlange sie nicht nur gewähren, die Tieffrau schmiegte sich sogar sogleich ganz an die Schuppe heran und sang ihren Brüdern und Schwestern, dass sie näherkommen sollen. Zögerlich taten diese es und stellten fest, dass die Schlange nicht kalt wie die anderen Ungeheuer war, sondern warm.
6
So begann ein neuartiges Zusammenleben zwischen der Schlange und den Tieflingen. Die kleinen Wesen durften die schützende Nähe der Schlange aufsuchen und sich an ihren glühenden Schuppen wärmen. Zudem begann die Schlange, für die Tieflinge zu jagen, und gestattet ihnen sogar, ihre Zelte in Ritzen zwischen ihren Schuppen einzuhaken. Im Gegenzug tanzten und sangen die Tieflinge für die Schlange und belustigten sie mit ihren tanzenden Lichtern. Sie brachten zudem der Schlange ihre Sprache bei und gaben ihr einen Namen: Hiti. Denn so wie die Tieflinge Licht in sein Leben brachten, so bereicherte der gewaltige Hiti sie mit Wärme und Schutz.
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Erneut zogen die Äonen durch die Tiefe, doch nun war Hiti niemals allein. Immer mehr Tieflinge suchten seine Nähe auf, fanden auf seinem gewaltigen Leib eine Heimat und gründeten Familien. Und so schwamm Hiti mit seinen Freunden weiter durch die Untiefen der Weltmeere, immer stetig weiterwachsend. Als er eines Tages etwas vor sich im Wasser wedeln sah und zubiss, verriet ihm der Schmerz, dass er die ganze Welt umschlängelt hatte. Denn er hatte sich gerade in den eigenen Schwanz gebissen. Von solchen Missgeschicken abgesehen aber verlief alles gut für Hiti und die Tieflinge. Bis ihn plötzlich eine ungeheure Kraft packte und hoch nach oben zog, weg aus der Tiefe heraus. Um den verwirrten Hiti herum wurde die endlose Schwärze zu einem immer helleren Blau gebleicht und dann war da kein Wasser mehr um ihn herum. Stattdessen streiften ihn die Winde des Himmels und die gleichgültige Sonne brannte in seinen Augen. Nun in Panik wand sich Hiti, sich dieser ungeheuerlichen, fremden Kraft erwehrend. Endlich ließ diese los und Hiti sank wieder herab in die Tiefe. Doch unten in der schützenden Dunkelheit erwartete ihn ein anderer Schmerz: Die meisten Tieflinge konnten von seinem Leib herunterfliehen, doch nicht wenige Unglückliche waren wie Hiti von der Kraft überrascht und mit nach oben gezogen worden, wo sie starben, denn ihre Körper waren nicht für die Oberfläche geschnitzt worden. Von Trauer und Angst erfüllt schlängelte Hiti mit den Tieflingen weiter, immer fürchtend, dass die Kraft zurückkehren könnte.
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Lange rätselte Hiti, wer oder was ihn aus den vertrauten Tiefen gerissen hatte, doch er konnte keine Antwort finden, denn er kannte die Welt dort oben kaum. Auch die Tieflinge konnten ihm diese Weisheit nicht geben. Eines Tages wurde aber Hiti von einem äußerst seltsamen Männchen besucht, das einem Tiefling nur wenig ähnelte. Nicht nur, weil an dem Torso des Männchens anstatt eines Fischschwanzes zwei dünne längliche Dinger baumelten, sondern auch weil sonst nichts an seinem Körper für die Untiefe geeignet schien. Seine weiße Haut war blank und ohne Schuppen und generell ließ sein Leib alles missen, was es ihm ermöglichen würde, wie ein Tiefling durch das Wasser zu schnellen. Und dann war da noch sein Gesicht, verunstaltet von einer zerfressenen Wunde, so wie Hiti sie nur von jenen Tieflinge kannte, die das Pech hatten, von dem Gift mancher Seeungeheuer getroffen worden zu sein.
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Das Männchen flitzte trotz seines Mangels an Flossen und ohne sich viel zu regen um den Kopf Hitis herum, welcher erzürnt nach ihm schnappte. Doch dann begann das seltsame Männchen mit ihm zu sprechen. Nicht, indem er sang wie die Tieflinge, sondern mit den Stimmen der Seelen. Das Männchen hatte Hiti vieles zu erzählen und nach einigem Zögern hörte die große Schlange zu, denn er bekam die Antworten auf viele seiner Fragen.
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Das Männchen erklärte ihm, dass die gewaltige Kraft, die ihn gepackt hatte, Thor gehörte, dem Gott des Donners und dem Beschützer von Asgard und Midgard. Hiti erzürnte dieser Name, denn er erinnerte sich noch gut an den heißblütigen Gott mit dem Hammer, obwohl er nur kurz in Asgard verweilte. Jemanden wie diesen vergaß man nie. Dementsprechend erfreute es ihm wenig, von dem Männchen hören zu müssen, dass das Schicksal sie beide noch zweimal treffen lassen würden. Das erste Mal würde es nur ein Wettstreit zwischen Thor und der Midgardschlange sein, welcher in einem Unentschieden münden würde. Doch beim zweiten und letzten Mal wäre es ein Kampf am Ende der Welt, Ragnarök, wenn die Midgardschlange das Meer verließ, um die Welt der Sterblichen mit ihrem gewaltigen Leib zu überrollen, sie mit ihren weiten Schlägen zu überfluten sowie sie mit ihrem tödlichen Atem zu vergiften. Thor würde sich ihr stellen und sie töten, aber nicht ohne selbst dabei sein Leben zu geben.
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Dies erschreckte und verwirrte Hiti, denn zum einen spürte er, dass diese fantastische Behauptung des Männchens der Wahrheit entsprach, denn als göttliches Wesen konnte er selbst die Schicksalsfäden zwischen den Welten spüren. Doch zum anderen wusste er nicht, warum er Midgard zerstören wollen würde. Zwar verspürte er keine Liebe für Midgard, doch der Hass in seinem Herzen war allein den Göttern gewidmet. Welche ihn fürchtete, wie das Männchen ihm erklärte. Und was sie fürchteten, erschlugen sie. Da sie aber die Midgardschlange nicht vor der finalen Schlacht töten konnten, werden sie ihr stattdessen nehmen, was ihr am liebsten war: die Tieflinge. Vor allem Thor hat viele der Erzfeinde der Götter, die Riesen, erschlagen und er würde es erneut tun, um Asgard zu schützen.

Admin - 13:06:07 @ Mythen, nordische Kultur | Kommentar hinzufügen