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Blogpost aus Mora


2023-12-22

Epios und Artemis - Teil 4

1
Nach und nach über die Jahre hinweg akzeptieren die Dorfbewohner den Wolf und er wurde ein Teil der Gemeinschaft, was sich erstaunlicherweise auch bildlich zeigte. Denn sein schwarzes, borstiges Fell begann, weißer und weicher zu werden, bis er einen wunderschönen Pelz so weiß wie Schnee hatte. Oder so weiß wie Marmor, wie die Dorfbewohner sagen würden, denn Schnee sah man abseits der Berger äußerst selten im Hellenischen Reich. Jener Pelz war besonders bei den Kindern der Dörfer beliebt, die von ihren Eltern an den Wolf herangelassen wurden, denn sie sahen ihn nicht mehr als eine gefährliche Bestie, sondern als einen Beschützer an, dessen Seite sicherer war als jeder andere Ort auf der ganzen Welt. Eines dieser Kinder gab dem Wolf, als er in dessen Fell herumwuschelte, den Namen Epios, weil es so weich war. Obwohl der Wolf sich zuvor nicht um einen eigenen Namen geschert hatte, nahm er diesen an, worauf dieser sich in den nahen Dörfern verbreitete. Als einmal ein Reisender aus dem Norden kam und beim Anblick des Wolfes schrie und auf ihn deutete, ihn den Fenriswolf nennend, den zukünftigen Verschlinger von Sonne und Mond, lachten die Dorfbewohner nur und korrigierten ihn: Das ist unser lieber Epios, der weiße, wissbegierige Wolf.
2
Alles schien gut für Epios zu sein. Weit weg waren die Götter des Nordens, die ihn gequält hatten, während die hellenischen sich nicht für ihn zu interessieren schienen. Es sah ganz danach aus, als könnte er den Rest seines Lebens mit seinem Freund Aktaion verbringen. Vielleicht sogar eine Ewigkeit, wenn Epios wahrhaftig so göttlich war, wie Aktaion vermutete. Doch alles hatte ein Ende oder musste zumindest Unterbrechungen erleiden. Denn während einer verhängnisvollen Jagd wurde Aktaion von Epios und dem Rest der Jagdgruppe getrennt. So irrte der Halbgott durch einen dichten, unvertrauten Wald, bis er endlich eine Lichtung fand. Sofort spürte er, dass dieser Ort heilig war, was seine Neugierde weckte. Er trat in eine nahe Grotte ein und sah sich dann einer Quelle gegenüber, welche eifrig genutzt wurde. Und zwar von wunderschönen Nymphen, die angesichts des unwillkommenen Besuches aus dem Wasser hochschreckten und versuchten, die Schönste unter ihnen zu verdecken. Der eher angetane als überraschte Aktaion versuchte, mit einem Scherz die Situation zu erleichtern, der aber aufgrund seiner Neigung, keinerlei Schönheit unverehrt zu lassen, unangemessen schlüpfrig ausfiel. Als die Schönste mit vor Scham oder Wut oder vermutlich beidem rot werdenden Gesicht erhob, wurde er nicht nur ihrer Blöße, sondern auch seines törichten Fehlers ansichtig. Denn die Schönste überragte die Nymphen bei weiten und ihr Leib war nicht rank wie deren, sondern drahtig, wie der eines Jägers wie Aktaion. In dem Moment begriff der junge Halbgott, dass er die Göttin Artemis beim Baden störte und belästigte, und hastig wollte er um Vergebung bittend sich zurückziehen. Doch ehe ein weiteres Wort seinen zuckenden Lippen entkommen konnte, trat die wuterfüllte Artemis aus und schlug einen Schwall Quellwasser Aktaion entgegen. Das geweihte Wasser enthielt ihren göttlichen Zorn und begann die Haut des jungen Halbgottes zu verbrennen, während er panisch der Grotte entfloh. Er hatte noch nicht einmal den Ausgang erreicht, als er gegen seinen Willen auf alle Viere fiel, wobei er zu seinem Schreck sah, dass seine Hände zu Hufklauen wurden.
3
Wie der Wind preschte Aktaion durch den Wald, dringend nach Hilfe suchend. Zu seiner Erleichterung hörte er die Rufe der anderen Jäger und das Gebell seiner Hunde. Doch diese Erleichterung zerbrach zu Schrecken, als er das Rudel zwischen den Bäumen hervorbrechen sah, all ihre Zähnen fletschend und ihn umzingelnd. Er versuchte ihnen zu entkommen, doch er selbst hatte sie zu gut abgerichtet. Nur ein Stück weit konnte er rennen, da schnitt ihm schon einer der Hunde den Weg ab und ehe er einen neuen fand, verbiss sich ein anderer Hund in eines seiner Beine. Bereits im nächsten Moment wollte ein dritter den tödlichen Biss in den Hals vornehmen, da donnerte Epios Bellen, welches im ganzen Wald die Vögel hochschreckte. Der weiße Wolf rannte zu Aktaion und schob das Rudel zur Seite, ohne sie zu verletzen, aber mit unsanftem Nachdruck. Die Hunde wichen vor seiner Autorität zurück, verwirrt. Auch die aufholenden Jäger verstanden nicht, was vor sich ging. Als Epios ihnen erklärte, dass es bei diesem Hirsch sich um Aktaion handelte, wollten sie verwundernd wissen, wie er dies erkennen konnte. An seinen Augen, antwortete Epios und ignorierte sie dann, um seinen Freund zu fragen, wer ihn verflucht hatte. Doch dessen Hirschmaul konnte nur Grunzen und Schnaufen formen, sodass Epios stattdessen ihn aufforderte, den Weg zur Übeltäterin zu zeigen. Aktaion zögerte, sich davor fürchtend, seine Freunde zu Artemis zu führen, die sicher immer noch wütete. Doch der weiße Wolf gab nicht nach und stupste ihn zur Eile an, weshalb der junge Halbgott tat wie geheißen. Er wollte auch nicht wirklich den Rest seines Lebens als Hirsch verbringen, vor allem, weil es dann recht kurz ausfallen würde.
4
Artemis und ihre Freundinnen hatten sich gerade erst angekleidet und die Grotte verlassen, als der riesige, weiße Wolf aus dem Wald gestürmt kam. Die Nymphen zerstreuten sich schreiend, während die Göttin der Jagd einen Pfeil in ihren Bogen spannte. Doch bevor sie schießen konnte, schnappte der große Wolf nach einer der fliehenden Nymphen und klemmte sie zwischen seinen Zähnen ein, wobei er nicht ganz vermeiden konnte, dass etwas von ihrem Fleisch gerissen wurde. Artemis zögerte beim Anblick ihrer blutenden Freundin, was den Wolf die Möglichkeit gab, zu wissen zu fordern, wer seinen Freund verflucht hatte. In dem Moment kam auch der verfluchte Jäger aus dem Wald, flankiert von weiteren Jägern und einen Jagdrudel. Artemis verstand und teilte, den Bogen immer noch auf den Wolf gerichtet, mit, dass sie es gewesen war, der diesen dreckigen Mann bestraft hatte, da er sie beim Baden beobachtet hatte. Für einen Moment starrte der Wolf mit der Nymphe im Maul sie mit ungläubigen Augen an, dann füllten diese sich aber mit Zorn und er verlangte von Artemis, dass sie den Fluch auflöste und zudem schwor, dass sie Aktaion nie wieder ein Leid zufügen würde. Die Göttin der Jagd, immer noch den Pfeil gespannt habend, weigerte sich und bestand zudem darauf, dass sie kein Leid, sondern nur eine gerechte Bestrafung zugefügt hatte. Doch der weiße Wolf ließ sich nicht auf Diskussionen ein, sondern versenkte drohend seine Zähne tiefer ins Fleisch der schreienden Nymphe. Artemis sah sich gezwungen, nachzugeben, und legte einen heiligen Schwur ab. Sobald Aktaion seine menschliche Form wiedererhalten hatte und ohne Scheu seinen nackten Körper den Nymphen präsentierte, laut verkündend, dass etwas Blankziehen doch nichts Schlimmes wäre, entließ der Wolf die Nymphe, die mit ihren blutenden Wunden panisch davonrannte. Der Wolf widmete ihr, Artemis oder den anderen Nymphen aber wenig Beachtung, sondern blickte tatsächlich lächelnd zu seinem Freund, was Artemis Zorn ausbrechen ließ. Sie entließ den Pfeil auf ihrer Sehne, denn ihr frischer Schwur sagte nicht, dass sie dem Wolf selbst keinen Schaden zufügen durfte.

Der nächste Teil der Geschichte wird am 5. Januar 2023 veröffentlicht.
Frohe Weihnachten und ein guten Rutsch ins neue Jahr!

Admin - 12:53:34 @ Mythen, nordische Kultur, hellenische Kultur | Kommentar hinzufügen