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Blogpost aus Mora


2024-01-07

Epios und Artemis - Teil 7

1
Epios’ Botschaft war sehr in Artemis‘ göttlicher Seele willkommen und mit einem Entschluss erhob sich die Göttin aus dem Wasser, um zu verkünden, dass sie nach Kallisto suchen würde. Sie bat Epios um seine Hilfe, welche er nur allzu bereitwillig gewährte. Somit brachen die beiden auf. Die Göttin mit ihrem Bogen in der Hand auf dem Rücken des Wolfes, durch die Lande des Hellenischen Reiches rennen. Es erwies sich als eine lange Suche, denn selbst ein großes Tier wie eine Bärin konnte sich mühelos in den weiten Wäldern verstecken. Doch letztendlich gelang es Epios, mit seiner feinen Nase Kallisto aufzustöbern. Sogar mehrmals, denn die geplagte Nymphe nahm bei dem Anblick des Wolfes stets Reißaus. Zumindest war dies, was Epios und Artemis zuerst dachten, doch als sie endlich die Bärin in der Sackgasse einer Schlucht einholen konnten und die Göttin der Jagd versuchte, sich ihrer Freundin allein zu nähern, stellte es sich heraus, dass die Nymphe panische Angst vor ihr hatte. Selbst nachdem die Göttin sich erklärte und um Vergebung tat, schwand nicht die Furcht. Zwar ließ die Nymphe sich den Fluch nehmen und nahm die Entschuldigung an, doch es war eindeutig, dass die Dinge zwischen ihr und Artemis nie wieder dieselben sein würden. Dies zeigte sich schon allein daran, dass Kallisto nicht in Artemis’ Gefolge zurückkehren wollte und stattdessen, wenn auch zögerlich, Epios’ Angebot annahm, auf Aktaions Gut unterzukommen. Somit kehrte die Nymphe schwermütig zurück aus der Wildnis, immer noch die Narben der Unrechte in sich tragend. Als ein Lichtblick erwies es sich wenigstens aber, dass ihr erwachsener Sohn Arkas den Kontakt zu ihr suchte, sobald er von der Umkehrung ihres Schicksals hörte.
2
Dieses Erlebnis ließ Artemis niedergeschlagen zurück, denn es fühlte sich eher wie das Aufreißen einer Wunde an, statt einer Heilung. Doch tief in sich spürte sie, dass sie das Richtige getan hatte, ganz gleich wie viel Vergebung oder Verachtung sie in der Zukunft erwartete. Entschlossen suchte sie mit Epios’ weiter nach den Opfern ihrer ungerechten Zornanfälle und versuchte, soweit sie konnte, Wiedergutmachung zu leisten. Als erstes kam sie Aktaion, um sich für den Hirsch-Vorfall zu entschuldigen. Der Jäger vergab rasch, vor allem, nachdem sie seine Bitte erfüllte, ihm die Fähigkeit zu geben, sich aus freiem Willen in einen Hirsch verwandeln zu können. Artemis legte sogar einen Segen darauf, die ihn in dieser Gestalt vor Jägern und Jagdhunden schützte. Natürlich wollten sie und Epios wissen, warum Aktaion dies wollte, worauf der Jäger meinte, dass er, wenn er nicht gerade Lebensangst hatte, es genoss, durch den Wald zu flitzen. Außerdem mochten die Frauen einen majestätischen, aber zugleich auch handzahmen Hirsch. Vielleicht sogar sehr, denn man munkelt, dass Aktaion der Stammvater aller Faune ist.
3
Sie stieg sogar zusammen mit dem Wolf herab in den Hades, um die Toten aufzusuchen, denen sie Unrecht angetan hatten. Zwar verweigerte Hades, der Gott der Unterwalt, ihnen, die Toten nach oben in die Oberwelt, zurück ins Leben zu führen, doch dafür gestattete er ihnen, sie nach Elysium zu überführen, sofern sie bereit waren, sich den Ungeheuern und Gefahren zu stellen. Und Charon eine Unmenge an Holz zu liefern, denn der Fährmann würde sich eine neue, große Fähre zimmern lassen müssen, um den Wolf über den Styx, einen der Flüsse der Unterwelt, bringen zu können. Somit gelangten Epios und Artemis herab in die Unterwelt und überwanden viele Hindernisse, sodass sie unter anderem die Seherin Manto mit ihren überall verstreuten vierzehn Kindern vereinigten und sie alle zusammen nach Elysium brachten.
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Die ganze Zeit über verblieb Epios an Artemis Seite, sie auf seinem Rücken tragend. Sie mauserten sich zu einem schlagkräftigen Paar, denn während er mit seinen vier Beinen rasch den Feind mit seinen Zähnen anfallen oder sich von diesem entfernen konnte, nahm sie mit ihrem Bogen ihre Gegner aus der Ferne, sodass es für diese wenig Raum zum Entrinnen gab. Doch seine Stärke war nicht das Einzige, was ihr Halt gab. Seine großen, spitzen Ohren waren stets auf sie gerichtet, bereit alles Leid zu empfangen und in aufmunternde Worte umzuwandeln. Oftmals hatte sie gezweifelt, ob ihr Unterfangen überhaupt einen Sinn hatte, da ihr von den meisten ihrer Opfer abschließende Vergebung verwehrt wurde. Er munterte sie damit auf, dass trotzdem ihr reumütiges Handeln das Schicksal ihrer Opfer verbessert hatte und dass sie Ermutigung im Lindern des Leids finden sollte. Von diesen Worten uferten ihre Gespräche oftmals in verschiedene Richtungen aus. Das eine Mal redeten sie über verschiedene philosophische Themen. Und andere Male sinnierten sie über ihre Erlebnisse. Schon rasch am Anfang ihrer langen Reise hatte Artemis begonnen, Epios als einen Freund anzusehen. Doch dann kam der Tag, als sie aufhörte, ihn nur als einen Wolf zu sehen, und begann, auch den Mann in ihm wert zu schätzen.
5
Es geschah, als Zeus seine Fehde mit Athene sowie Prometheus begann und mit diesen um das Herrschaftsrecht über die Menschen rang. Da sich die Sterblichen auf die Seite ihrer Schöpfer stellten, ließ der Göttervater die Welt in Dunkelheit versinken, um ihren Widerstand zu brechen. Den Titanen ließ er an einen Felsen anketten und quälte ihn mit einem Adler, der ihm jeden Tag die nachwachsende Leber fraß. Seine Tochter Athene hingegen verbannte er. Während sich die meisten Götter des Olymps zumindest augenscheinlich Zeus fügten, so klagte Artemis den Göttervater an und verweigerte ihn die Loyalität. Sie mied den Göttersitz und streifte stattdessen mit Epios durch die finsteren Lande, um den Sterblichen zu helfen. Ein schweres Unterfangen, denn mit ohne Licht erwiesen sich die Menschen gerade am Anfang so hilflos wie Neugeborene. Es gab tausende Probleme und so wenige Ansätze für Lösungen.
6
Allein dem Umstand, dass auch Götter rasten mussten, war es zu verdanken, dass die beiden überhaupt einmal zur Ruhe kamen. Es war in jener Grotte, in dem ihre turbulente Beziehung angefangen hatte. Sie badeten gerade, um sich von endlosen Anstrengungen zu erholen, als Artemis dem Wolf ihre Liebe gestand. Er erwiderte sie, worauf sie ihm sagte, dass sie sich mit ihm vereinen wollte, hier und jetzt. Dies überraschte Epios sehr und er fragte sie, ob sie sich sicher war, da sie doch ihre Jungfräulichkeit so sehr schätzte. Doch die Göttin der Jagd schüttelte den Kopf, denn vieles hatte sich verändert. Ihr Erlebnis mit Kallisto hatte ihr aufgezeigt, dass ihr blindes Festhalten an einem solchen leeren Wert nur Schmerz eingebracht hatte und letztendlich nur ihre Furcht davor, die Anerkennung der anderen Götter zu verlieren. Eben jene Götter, gegen die sie sich gestellt hatte. Außerdem war es absurd: Sie war eine Verkörperung der Natur und das Lieben sowie Paaren stellte einen essenziellen Teil alles Lebens dar. Warum sollte sie sich selbst ihre wahren Gefühle verwehren? Vor allem jetzt, wo ihr beider Schicksal so ungewiss war? Noch ignorierte Zeus sie, doch Artemis war sich sicher, dass er, sollte er gewinnen, seinen Zorn gegen sie richten würde. Sein vermutlich lüsterner Zorn …
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Der Wolf sah, dass sie entschlossen war, und somit liebten sie sich im heiligen Wasser der Quelle. Was zwar sehr romantisch, aber auch ein bisschen sehr ungelenk ablief, denn nicht nur unterschieden sich die Forme ihrer Körper sie, sie war zudem eine Jungfrau und er ein Jungwolf.
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Es verblieb nicht beim ersten Mal und ehe Artemis sich versah, trug sie neues Leben unter ihrem Herzen. Ein Grund zur Freude, aber auch zum Beklagen. Denn Artemis sowie Epios machten kein Geheimnis aus ihrer Schwangerschaft und während Aktaion und die Sterblichen sie beglückwünschten, so kam es unter den Nymphen zu einer Spaltung. Die einen teilten den Sinneswandel der Göttin, doch die anderen fühlten sich verraten und gingen. Dies schmerzte Artemis, vor allem, weil sie sich selbst in dieser Reaktion gespiegelt sah. Dafür wärmte es aber ihre Seele umso mehr, dass Kallisto zu ihr zurückkam und anbot, sie durch die Schwangerschaft hin zur Geburt zu begleiten. Anfangs schnitten die beiden Frauen sich noch an den Scherben ihrer zerbrochenen Freundschaft, doch über die Monate hinweg gelange es ihnen, diese in eine neue zusammenzusetzen.
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Dank Kallisto und der anderen Nymphen brachte Artemis Zwillingssöhne zur Welt. Als man der neuen Mutter die beiden Säuglinge in die Arme legte, blickte sie trotz aller Erschöpfung verdattert hinein. Der eine Sohn hatte das Antlitz eines Menschen, ergänzt aber mit den Ohren eines Wolfes und er trug auch den Schwanz eines Wolfes. Überraschend, aber nicht so sehr verwunderlich angesichts des Vaters. Doch der andere Sohn hingegen trug die Ohren und den Schwanz eines Katers und seine Nase schmückten Schnurrhaare. Artemis und die Nymphen könnten sich keinen Reim darauf machen, doch Epios lachte nur: Sein Vater zeugte ihn, einen riesigen Wolf, eine ungeheure Seeschlange sowie eine halbverweste Frau. Und gebar selbst ein achtbeiniges Pferd. Bei diesem Blut wäre eher das zu Erwartende verwunderlich gewesen.
Die stolzen Eltern nannten den wolfohrigen Sohn Skalli, während sie dem katerohrigen den Namen Hati gaben. In einer in Finsternis gestürzten Welt stellten die zwei Söhne Lichter dar, die Göttin und Wolf antrieben. So vergingen eine Handvoll Jahre, die Skalli und Hati in vollkommener Dunkelheit verbrachten. Damit war es nicht überraschend, dass die beiden mit großen Augen den blauen Himmel anstarrten, der endlich wieder heimkehrte, nachdem Athene, Prometheus und ihre gemeinsame Tochter Faskane Frieden mit Zeus sowie dem Olymp schlossen und somit ihre Schutzherrschaft über die Menschen etablierten. Skalli war besonders von der Sonne, der riesigen Feuerscheibe am Himmel fasziniert. Seinen Bruder Hati hingegen stachen ihre Strahlen zu sehr in den Augen. Doch wenn die Nacht einbrach, kam der Katerohrige heraus und war verzaubert von dem Mond und die vielen ihn begleitenden Sterne, die allesamt ebenfalls einst von der Finsternis Zeus’ verbannt worden waren.

Der nächste Teil der Geschichte wird am 19.01.2024 veröffentlicht.

Admin - 12:10:36 @ Mythen, nordische Kultur, hellenische Kultur | Kommentar hinzufügen