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Blogpost aus Mora


2024-05-10

Eine kleine Interpretation der Mythen über die Kinder Lokis - Teil 1

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Einleitung
Die Mythen über die drei Kinder Lokis stellen nicht nur für den nordischen Glauben ein zentrales Element im kulturellen Selbstverständnis dar, sie sind zudem eine Versinnbildlichung mehrerer Werte der modernen Mora-Allianz, wobei vornehmlich der der Freiheit im Mittelpunkt steht. Diese These will ich in diesem Essay durch eine Interpretation der drei Mythen auf den Prüfstand stellen.
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Hierbei beabsichtige ich, die Mythen von dem Standpunkt der „atmenden Überlieferung“ aus zu interpretieren. Dies bedeutet, dass ich, auch wenn ich nicht generell bezweifle, dass die Mythen von tatsächlichen Ereignissen aus längst vergangenen Zeiten berichten, sie als ein Produkt ihrer Zeit untersuche. Deshalb werde ich, bevor ich die Interpretation vornehme, einen kurzen Abriss der Historie des Aufkommens jener Mythen geben, damit in der Interpretation entscheidende Elemente und Symbole in ihren kulturellen Kontext eingeordnet werden können.
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In der anschließenden Interpretation der Mythen wird das Hauptaugenmerk auf folgenden drei Punkten liegen:
1. Welche Werte werden in den Mythen zum Ausdruck gebracht? Was für eine Rolle spielt Freiheit insbesondere? Besteht ein Bezug zu einem Aspekt der Kultur oder zu einem historischen Geschehnis in der Entstehungszeit?
2. Inwiefern unterscheiden sich die heutigen populärsten Variationen dieser Mythen von älteren? Womit könnte dieser Unterschied erklärt werden?
3. Welche Elemente aus den Mythen könnten aus den Überlieferungen anderer Pantheons stammen?
Wichtig zu beachten ist hierbei, dass ich, wenn ich darauf eingehe, warum bestimmte Denkrichtungen oder Gesellschaften eine Variation von einem Mythos über einen anderen bevorzugen, es dies nicht in dem Sinne eines bewussten Umschreibens der Mythen meine. Vielmehr gehe ich hierbei auf das unterschwellige, wertende Denken einer Zeit ein, die die Beliebtheit einer Variation gestärkt und sie so über die anderen siegen lassen haben könnte.
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Hauptteil
Historischer Abriss
Wie bei allen Mythen, kann man auch bei denen über die drei Kinder Lokis ihre Entstehung nicht auf einen exakten Zeitpunkt festlegen. Es ist nicht einmal möglich, sich auf ein Zeitalter festzulegen, denn den verschiedenen Elementen dieser drei Mythen unterscheiden sich in ihrem Alter teilweise sehr drastisch. So ist zum Beispiel die Vorstellung, dass die Kinder Lokis heldenhafte Außenseiter sind, die sich einem ungerechten Schicksal entgegenstemmten und somit die Welten retteten, eine relativ junge, deren Auftauchen sich auf die späte Ritterzeit und des frühen Zeitalters des Erwachens datieren lässt.*1
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Dem steht hingegen die Ansicht gegenüber, dass Ragnarök bereits geschehen war, die nachweislich bereits Teil des sehr losen Kanons vieler nordischer Stämme Moras in der Antike gewesen war. Hier muss man allerdings bedenken, dass sie über große Teile der Geschichte Moras hinweg gleichzeitig mit der entgegengesetzten Vorstellung existierte, dass Ragnarök noch käme. Zudem setzt sie sich von den heutigen Mythenvariationen damit ab, dass die Kinder Lokis die Bösewichte sind und von den Göttern Asgards besiegt wurden, womit diese es waren, die das Schicksal überwanden. Vielleicht diente diese Vorstellung als eine Rationalisierung für den Untergang des Alfenreiches sowie die Entstehung der Lande des Ewigen Chaos, welche sicher wie ein Weltenuntergang angemutet haben musste.*2
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Doch auch wenn die Elemente der drei Mythen über die gesamte dokumentierte Geschichte des Nordens Moras verstreut sind, so kann man aber das erste Auftauchen des sich aus ihnen zusammengesetzten Gewebes, welches die heutigen populären Variationen dieser Mythen ausmacht, auf den Beginn des Zeitalters des Erwachens datieren. Damit fand die zunehmende Popularität und Verehrung der Kinder Lokis parallel statt mit der Gründung der Allianz sowie deren Entwicklung von einem simplen Militär-Bündnis hin zu der alle Kulturen und Länder Moras umfassenden Union, vereint durch Prinzipien wie unteranderem jenes der Menschenrechte. Dass dies keinen Zufall darstellt, werde ich in diesem Essay darlegen. Auch wenn der geneigte Leser sicher wie jeder Moraner mit der Signifikanz der tumulten Zeit um das Jahr Null, dem Jahr der Allianzgründung, vertraut sein dürfte, so erlaube ich mir, dies mit der Nennung einiger entscheidenden Ereignisse aus dieser Zeit zu unterstreichen, die für meine Interpretation von Belang sind:
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1. Das Hinterfragen und Neuinterpretieren von Traditionen, dem ein Neudenken der bestehenden Herrschaftsverhältnisse folgte. Mit der Allianzgründung zum Beginn des Zeitalters des Erwachens begann Zweifel an den traditionellen Werten aufzublühen, was die Autorität der bestehenden Feudalsysteme im Norden Moras sowie der des Hellenischen Großkönig im Süden Moras untergrub und einen Prozess der Demokratisierung in Gang setzte, der in unserer heutigen Zeit darin mündete, dass nahezu alle Länder in der Allianz Demokratien oder konstitutionelle Monarchien darstellen.
2. Die Etablierung unseres heutigen, modernen Wertesystems, unteranderem in der Form der Menschenrechte. Mit ihr kam eine Akzeptanz von Minderheiten, wobei für meine Interpretation vornehmlich die der Hybridmenschen von Relevanz ist, denn diese wurden bis in das Zeitalter des Erwachens hinein diskriminiert, was unteranderem mit religiösen Argumenten gerechtfertigt wurden.
3. Ein Erstarken des kulturellen Austausches. Auch wenn Ideen und Konzepten sicher sich seit Beginn der Zeit unter den Menschen verbreitet hatten, sich nicht um Grenzen scheren, so flossen sie nicht in der Stärke wie ab der Allianzgründung, als Kriege zwischen den Völkern Moras begannen, seltener zu werden und dem kooperativen Handeln wichen. Bezüglich Religion äußerte sich dies durch das Verbreiten von zuvor äußert lokalen Kulten hinein in andere Kulturräume. Dies fand zwar zu einem gewissen Grad bereits zuvor im Hellenischen Großreich mit all seinen Völkern statt, doch dasselbe geschah im Norden Moras erst ab dem Jahr Null mit einer ähnlichen Intensivität.*3
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Zum Abschluss dieses Abschnittes sollte ich noch die Riesenschlange im Meer ansprechen. Ich habe absichtlich den Ersten Kemetischen Krieg nicht erwähnt, als der Pharao versuchte, mithilfe der Flotten und Riesentintenfische seines Seeimperiums den Seehandels Moras in seine Gewalt zu bringen und somit unsere Vorfahren zu unterwerfen. Denn auch wenn dieser Krieg der Grund für die Gründung der Allianz darstellt und damit auch ein Auslöser für die erwähnten Veränderungen war, so ist es ein externer Faktor, den ich für dieses Essay ignorieren werde, denn es geht mir vornehmlich um in den inneren kulturellen Wandel im Norden Moras, von dem ich glaube, dass er sich in den Mythen über die drei Kinder Lokis spiegelt.

*1: vgl. Winkelstein, 411, Religionsgeschichte Nordmoras Band 9, S. 145f.
*2: vgl. Jacques, 395, Untergang im Wandel, 395, S. 112-137
*3: Einen sehr umfassenden Einblick zu diesen drei Themen bietet folgendes Buch: Liakos, 406, Ein verbindender Austausch

Der nächste Teil der Interpretation wird in zwei Wochen, am 24. Mai 2024, veröffentlicht.

Admin - 10:01:32 @ Mythen, nordische Kultur, hellenische Kultur | Kommentar hinzufügen