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Blogpost aus Mora


2024-09-27

Die Prometheus-Sage - Teil 2

1
Reuevoll und unterwürfig traten die beiden auf dem Olymp vor Zeus und schworen ihm die Gefolgschaft. Die selbstgefällige Freude des Göttervaters wurde aber rasch getrübt, als Athene ihm gestand, dass die Menschen zu aufmüpfig wurden, sodass sie nicht einmal mehr auf ihre göttlichen Eltern hörte. Um deren Gehorsamkeit zu erlangen, bedurfte es laut Prometheus eines mächtigen Symbols, das stetig die Sterblichen an die Überlegenheit der Götter erinnerte. Er präsentierte den Göttern des Olymps eine große, unbeschreiblich schöne Skulptur und ermutigte sie, jener ihre Gaben zu geben, damit sie in göttlicher Essenz getauft die Sterblichen mahnen konnte.
2
Nur zu gern ergriffen die Götter des Olymps die Gelegenheit, ihre Eitelkeit zu pflegen, die noch tiefer war als der Tartarus. Als erstes segnete natürlich Zeus die Skulptur, in dem er ihr einen seiner Blitze gab, Essenz seiner Herrschaftskünste enthaltend. Seine Brüder Poseidon und Hades folgten ihm als Nächste, der eine mit einem Dreizack, gefüllt mit der Essenz der Kontrolle über das Meer, und der andere mit einem Stab, Verkörperung seiner Herrschaft über den Hades. Anschließend waren die Schwester des Zeus an der Reihe, seine Gemahlin Hera als Erste. Sie gab der Skulptur einen ihrer Granatäpfel, ihre Aufgabe als die Knüpferin von Ehen symbolisierend. Ihre Schwester Hestia hingegen widmete dem Kunstwerk eine ihrer Flammen, ihre Rolle als Behüterin des Herdfeuers und der Familie präsentierend. Als Gabe überließ Demeter einen goldenen Ährenkranz, Symbol ihrer Domänen über die Natur. Zuletzt folgten die sechs verbliebenden Götter des Olymps: Ares, seine Kriegslust in Form eines Speeres an die Skulptur weitergebend. Als Zeichen seiner Kunstfertigkeit überreichte Apollon eine Leier, direkt gefolgt von seiner Schwester Artemis, die etwas von ihrer Jagdkunst in Form eines Bogens weggab. Der hinkende Hephaistos schenkte einen seiner Hämmer, erfüllt mit seiner Schmiedekunst, während seine Gattin, die stets unverhüllte Aphrodite, der Skulptur einfach einen mit ihrer endlosen Liebe erfüllten Kuss gab. Zu guter Letzt zog Hermes der Skulptur seine Flügelkappe über, während er ihr ein paar Geheimnisse ins Ohr flüsterte.
3
Die Blicke der Götter fielen auf Athene, deren Gabe noch fehlte. Schließlich war sie trotz ihres Ungehorsamkeit eine Göttin des Olymps. Letztendlich trat die Göttin der Weisheit an die Skulptur heran, doch anstatt ihr etwas zu geben, hauchte sie zum Erstaunen aller, bis auf Prometheus, ihr Bewusstsein ein, sodass sie erwachte. Ehe die Götter des Olymps diese Wendung verdaut hatten, taufte Prometheus die Skulptur auf den Namen Prodos und entzündete sie. Den so neu geschaffenen Gott befahl er anschließend, zu den Sterblichen zu rennen, ihnen die Gaben der Götter überbringen und alles sich in seinen Weg stellende Alten zu verbrennen. Prodos tat wie geheißen und stürmte los. Die Götter des Olymps versuchten ihn zu stoppen, doch sie alle verbrannten sich die Hände an dem brennenden Steinkörper des neuen Gottes und konnten so nicht verhindern, dass Prodos vom Olymp sprang, einen gewaltigen Feuerschweif hinter sich herziehend, als er wie ein Stern herab in die Welt der Sterblichen fiel, wo er stetig rennend den Menschen die Gaben und das Wissen über die Domänen der Götter gab.
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Mit dieser gewagten List zogen sich Prometheus und Athene natürlich den donnernden Zorn Zeus’ zu, der sie beide mit einem einzigen von Blitzen ummantelten Schlag niederstreckte. Während er gegenüber seiner Tochter Athene väterliche Gnade walten ließ und sie deshalb ins Exil entsendete, ließ er Prometheus mit von dem Schmiedegott Hephaistos angefertigten Ketten, die kein Gott zu brechen vermochte, an eine Felswand des Dusakon-Massivs, ein nahe dem Reich der Hellenen liegendem Gebirge, fesseln.
5
Nachdem Zeus nun mit seinem Zorn die beiden Menscheneltern besiegt hatte, verlangte er erneut von den Menschen, ihm zu huldigen. Doch die Hellenen hielten Prometheus und Athene die Treue und verweigerten, sich dem Tyrannen zu unterwerfen. Der Göttervater, gerade erst halbwegs zur Ruhe gekommen, verfiel daraufhin in einen noch größeren Zorn. Mit einem Gewitter, dass über seinem Thron auf dem Olymp wütete, rief er seinen Sohn Hermes, den Götterboten zu sich und befahl ihm, dafür zu sorgen, dass für die Menschen so lange nicht die Sonne scheint, bis sie sich ihm nicht mehr widersetzen.
6
Eine herausfordernde Aufgabe, denn drei mächtige Götter waren für Tag und Nacht verantwortlich. Da war zum einen Helios, der Sonnengott, der jeden Tag mit seinem Sonnenwagen über den Himmel fuhr. Zum anderen waren da noch Nyx, die Nacht, und ihre Tochter Hemera, der Tag. Sie beide hausten in einem Gemach im Hades, jedoch immer nur eine von ihnen, niemals beide zugleich. Wenn Helios sich dem Ende seiner tagtäglichen Fahrt nahte, verließ Nyx Gemach und Hades und stieg hinauf zu der Oberfläche, wobei ihre Tochter ihr entgegenkam, die von dort kam. Oben zog sie dann ihren Mann Erebos, die Finsternis, über die sonnenlose, graue Düsternis des Landes. Wenn dann Helios die nächste Fahrt begann, ging sie herunter und ihre Tochter kam wieder hoch, um dann die Schwaden ihres Vaters zu zerreißen, auf dass das Licht des Sonnenwagens auf die Erde fallen konnte.
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Alle Vier waren mächtige Götter, selbst der zwischen Frau und Tochter hin- und hergerissene Erebus. Welche, die sich Zeus nicht traute, anzugehen. Deshalb fiel Hermes die gewaltige Aufgabe zu, sie irgendwie zu überlisten. Helios kam nicht in Frage: Dieser mächtige Gott liebte seinen Sonnenwagen und nichts im Kosmos konnte ihn von einer Fahrt abhalten. Also musste er es mit Nyx und Hemera versuchen. Doch auch für sie war das Ritual sehr wichtig. Und auch wenn die Mutter die Tochter und die Tochter die Mutter verachtete, so würde keine der beiden sich gegen die andere verschwören. Also musste Hermes eine List anwenden. Er wartete auf dem Rücken des Atlas, dem Titanen, den Zeus dazu verdammt hatte, Uranos, den Himmel, von Gaia, die Erde, fernzuhalten. Als Hemera von der Welt der Sterblichen herabstieg und ihrer Mutter auf dem Weg begegnet war, fing Hermes sie ab und umwarb sie mit lieblichen Worten. Und auch wenn er keine Aphrodite war, so gewann er rasch ihre Zuneigung und gemeinsam verbrachten sie die Nacht im Gemach. Als der Morgen nahte und Hemera aufbrechen wollte, um oben an der Oberfläche die Schattenschwaden zu zerreißen, die ihre Mutter ausgeworfen hatte, liebsäuselte Hermes, dass sie doch sicher erschöpft sei von ihrem Liebesspielchen und dass sie sich etwas Ruhe gönnen sollte. Zuerst zögerte Hemera, ihre wichtige Aufgabe zu vernachlässigen, doch als Hermes ihr versicherte, dass er an ihrer Stelle dafür sorgen würde, dass Helios’ Strahlen die Erde erreichen, gab sie nach. Und während der Götterbote nach oben eilte, wobei er tunlich die entgegenkommende Nyx mied, versteckte sich Hemera im Gemach, denn sie wollte vor ihrer Mutter keine Blöße geben.
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Hermes hielt sein Wort gegenüber seiner neuen Liebe, doch bedauerlicherweise hatte die Göttin des Tages nicht daran gedacht, sich versichern zu lassen, wann er die Schwaden zerreißen würde. So konnte Hermes warten, bis der Sonnenwagen des Helios‘ am Abend am Horizont verschwand, bevor er die Schwaden zerriss, denn natürlich durfte Nyx nichts vom gestörten Rhythmus bemerken. Und auch wenn diese sich wunderte, warum sie ihre Tochter nicht zu Gesicht bekam, so schöpfte sie keinen Verdacht, denn sie fand das Gemach stets leer und den Himmel am Abend stets offen vor.

Der nächste Teil der Sage wird in zwei Wochen, am 11. Oktober 2024, veröffentlicht.

Admin - 07:27:22 @ Mythen, hellenische Kultur | Kommentar hinzufügen