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Blogpost aus Mora


2025-09-26

Der Säugling - Kapitel 2 - Teil 1

1
Um nicht sein Schwert aus der Hand nehmen zu müssen, rammte Paladin Ludwig sein Schild in die Holztür vor sich und riss diese so aus den Angeln, sie in die unterirdische Kammer hineinfallen lassend. Wie ein wandelnder Stahlwall schritt er in seiner scheppernden Plattenrüstung hinein, Schild und Schwert bereithalten, um jegliche Gefahr abzuwehren, die hier lauern könnte. Doch augenscheinlich befand sich kein Feind hier. Allein eine wunderschöne Frau saß auf dem Bett inmitten der Kammer, vollkommen entblößt. Sie schreckte leicht hoch, wobei sowohl die auf ihrer Brust liegende goldene Halskette und die silbernen Ohrringe im sanften Licht der Aura des Paladins aufblitzten. „Bist du gekommen, um mich zu retten, mein tapferer Krieger?“, äußerte die Frau, auf ihrem stark geschminkten Gesicht Angst, aber auch Erleichterung vorgebend. Während der Paladin die Frau argwöhnisch durch den Sehschlitz seines Helmes musterte, trat einer seiner Kameraden, ein junger Novize, hinter ihm durch die Tür ein. Der in einer wesentlich leichteren Rüstung steckende Katermann antwortete: „Das sind wir, holde Maid. Dein Albtraum endet in dieser Nacht.“ Er wollte sich dem Bett nähern, doch der Paladin hielt ihm, ohne den Blick von der Frau zu lösen, sein Schwert in den Weg.
2
Solche Torheit konnte man nicht mit Unerfahrenheit entschuldigen, weshalb Paladin Ludwig den jungen Katermann später eingehend die Leviten lesen musste. Denn selbst ein blinder Narr, der noch nie von einem Vampir gehört hatte, würde merken, dass hier etwas nicht stimmte. Dass die Frau wie eine Hure anmutete, war an sich nichts Eigenartiges. Das Gefolge starker Vampire umfasste zumeist eine Handvoll Gespielinnen. Nicht für den Vampir selbst, denn als Kreatur jenseits von Leben und Tod konnten sie nicht einmal einer Todsünde wie der der Wollust verfallen. Vielmehr nutzten sie diese nicht immer willigen Frauen dazu, um menschliche Kumpanen zu „belohnen“. Allein anhand ihres sündenhaften Antlitz hätte man demnach nicht ausschließen können, dass diese Frau ein Opfer war, welches es zu retten galt. Doch ihr Verhalten säte dafür umso mehr Zweifel. Eine fromme Christin hätte spätestens bem Einbrechen des Paladins die Bettdecke genutzt, um ihre nur für ihren Ehemann bestimmte Blöße verschwinden zu lassen. Und selbst eine zügellose Heidin würde nicht, wenn sie wahrhaftig um ihr Leben fürchtete und nahe Rettung sich erhoffte, sich so offenbaren. Denn während auf ihrem Gesicht immer noch Furcht und Hoffnung tanzten, hatte sie ihren Leib unauffällig langsam in eine sehr unkeusche Position verschoben. Zum einen drückte sie ihre Brust heraus, zum anderen ragten nun ihre langen Beine über die Bettkante hinweg.
3
Ihr Gebären mutete widersprüchlich an und dies allein hätte den Uneingeweihten ahnen lassen können, dass die Frau keine Gefangene, sondern eine willige Dienerin der Vampire war. Doch Paladin Ludwigs geübter Blick durchstach die Täuschung noch eine Ebene tiefer. Denn sowohl die Furcht auf der Miene als auch das subtil verführerische Räkeln waren an sich perfekt vorgespielt, doch nichts verband diese beide Regungen. Bei einem Menschen waren aber alle Regungen immer miteinander verbunden, erstrecht die widersprüchlichen. Bei einer Frau, die sich fürchtete, würde ein Zittern das Räkeln verwischen. Wenn sie hingegen ihnen etwas vormachte, dann würde die Absicht hinter den Bewegungen ihres Leibes die Furcht auf ihrem Gesicht zu starr erscheinen lassen. Doch keines von beides war bei der Frau auf dem Bett gegeben. Nichts verband ihre Regungen, sie wirkten vollkommen separat. Was bei einem Lebenden nicht der Fall sein konnte, aber bei einem Vampir. Womit Paladin Ludwig sich sicher war, dass er eine Vampirin vor sich hatte. Eine unerfahrene, die ihre Maske noch nicht perfektionieren konnte, und somit zwar Gefühle nachahmen konnte, aber nicht das komplexe Gewebe, welche diese mit den Regungen und untereinander verband.
4
„Bleibt hinter mir“, befahl der Paladin knapp und schritt dann mit der Klinge voraus auf das Bett zu, ein Gebet sprechend: „Allmächtiger, erbarme dich für diese verlorene Kreatur und führe sie zurück in deine heilige Ordnung.“ Er spürte Gottes Gunst in ihn hineinfahren und seine Aura wurde stärker, nun die Kammer vollkommen ausleuchtend, während um sein Schwert herum sich eine goldene Beschichtung legte. „Schützender Bruder Ludwig, Sie denken doch nicht etwa wirklich …?“ keuchte der Katermann, doch der Paladin konnte ihm keine Konzentration widmen. Deshalb wurde er auch nicht überrascht, als die Frau sich hinter das Bett fallen ließ und aus seiner Sicht verschwand. Welche im nächsten Moment von jenem Bett vollkommen eingenommen wurde, da die so nun vollkommen entblößte Vampire es an der Kante packte und mit einem kräftigen Schwung dem Paladin entgegenschleuderte. Da dieser aber mit dieser üblichen Taktik von Vampiren, in der alltägliche Besitztümer mithilfe ihrer unmenschlichen Kraft in tödliche Wurfgeschosse verwandelt werden, vertraut war, hielt er bereits seinen Schild hoch und erfüllte jenes mit Gottes Gunst. Über den schützenden Stahl legte sich ein goldenes Glühen, welches sich von dem runden Schildrand in alle Kreisrichtungen ausdehnte, einen durchsichtigen Wall erschaffend, an dem das fliegende Bett zerschellte. Dies alles geschah innerhalb von wenigen Herzschlägen, in denen der Paladin nicht einmal denken musste, denn sein Körper, geformt durch endloses Trainieren, agierte wie von selbst, sodass er bereits auf die Vampirin zu rannte, bevor das Bett flog. Somit rannte er, den Lichtwall nach dem Zusammenprall mit dem Bett zusammenziehend, um Gottes Gunst nicht zu verschwenden, durch die noch in der Luft hängenden Bruchstücke des Bettes, wobei kleinere und größere Holzsplitter auf seine Plattenrüstung wie Regen prasselten. Die Vampirin hatte sich gerade erhoben, da war Paladin Ludwig schon über sie und stach mit seinem Schwert zu. Er hatte auf ihr Herz gezielt, doch sie wich im letzten Moment zur Seite aus, sodass die Klinge an ihrer rechten Seite entlang glitt, jene mit ihrer Schärfe schneidend sowie mit ihrer Weihe verbrennend. Aus Reflex riss der Paladin anschließend seine Klinge hoch, direkt in die Achsel. Das Schwert blieb stecken, worauf der Ungeweihte hätten denken können, dass es gegen den Knochen gestoßen war. Doch der Paladin wusste, dass in Wahrheit die unzerstörbaren Nerven eines Vampires den Stahl an sich abprallen ließen. Auch die Flammen der Weihe konnten sie nicht zerfressen, dafür aber das Fleisch und die Knochen um sie herum. Der rechte Arm fiel herab auf den Boden, während die Vampirin zugleich zurückwich. Hierbei verbanden für einige Momente die blau leuchtenden, frei liegenden Nerven den Arm noch mit der Schulter, aus der bereits ein neuer Arm wuchs. Durch das Zurückweichen zog die Vampirin die Nerven vollkommen aus dem abgeschnittenen Arm heraus, sodass diese wie Bänder im Wind in der Kammer umherschlugen.
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Hinter sich hörte der Paladin den jungen Katermann aufkeuchen, was angesichts des ganzen Blutes, welches nun sowohl die Kammer als auch die Plattenrüstung des Paladins und die blanke Haut der Vampirin beschmutzte, dem abgeschlagenen Arm und die umherschwebenden Nerven, ihm nicht zu verdenken war. Selbst Paladin Ludwigs eiserne Disziplin wurde kurz von einem eiskalten Schauer mit Frost überzogen. Allerdings nicht wegen dem, was er sah, dagegen hatte er sich bereits gewappnet, um Gottes Willen ausrichten zu können. Nein, was seine Seele kurz erzittern ließ, war das, war er nicht gehört hatte: einen Schrei. Die Vampirin äußerte weder durch Laut noch Regung irgendwelchen Schmerz. Sie sah ihn einfach nur mit einem neutralen Blick an, so unbekümmert, als hätte er ihr beim Schachspielen nur einen Bauer genommen. Ganz gleich wie oft er diese Gleichgültigkeit von Vampiren sah, er würde es nie einfach hinnehmen können. Selbst Dämonen schrien, wenn man sie schnitt.
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Deshalb musste er sich von tiefer Entschlossenheit leiten lassen, gespeist von unhinterfragbarem Gottesglauben. Somit ließ der Schauer den Paladin nicht schwanken und er stürzte sich mit dem Schild voraus auf die Vampirin. Sie schlug mit ihrem rechten Arm aus, von dem aber erst der Oberarmwieder hergestellt worden war, sodass die sich dehnenden Nerven des Unterarmes dem Paladin entgegenschlugen und ihn wie Schlangen anfielen. Trotz seiner Plattenrüstung und Gottes Gunst spürte er sie: die Leere. Sie fühlte sich weitaus grässlicher an als die Kälte, denn selbst diese war etwas. Doch erneut schwankte der Paladin nicht und sein Vorstoß blieb ungebremst, sodass er gegen die Vampirin stieß und sie mit seinem Schild gegen die Wand hinter ihr presste. Womit die beiden sich in einer Pattsituation befanden. Der Paladin hatte zwar die Vampirin festgenagelt, doch ihre Brust mitsamt dem Herzen befand sich unter dem Schild, sodass er dieses nicht mit seinem Schwert durchstechen konnte. Vielmehr blieb ihm nichts anderes übrig, als zu versuchen, ihre Brust einzudrücken, seinen geweihten Schild ihr direkt ins Herz zu rammen. Doch selbst ein Mann Gottes wie Paladin Ludwig war nicht stark genug, um die Nerven und Knochen eines Vampires mit simplem Druck zu überwinden.
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Doch drei Männer Gottes konnten es und Paladin Ludwig brüllte sie mit einem knappen Befehl zu sich: „Gottes Presse!“ Sofort eilten dreie seiner leichter gerüsteten Brüder herbei, die sich während seines Kampfes in der Kammer verteilt, diesem aufmerksam beiwohnt und auf ihre Gelegenheit gewartet hatten. Welche nun gekommen war, sodass einer der drei Männer den Paladin an der Rückseite seines Brustpanzers drückte. Der zweite packte die rechte und der dritte, der Katermann, die linke Schulter, und gemeinsam drückten sie. Paladin Ludwig lockerte seinen Stand, um sich nicht gegen den neuen Druck zu stemmen, und konzentrierte seine Kraft allein auf das Halten seines Schildes, damit die Vampirin nicht unter ihm hervorkommen konnte. So ließ er sich von seinen Brüdern wie eine stählerne Pressbacke im Namen Gottes nutzen und die geballte Kraft der drei Männer presste den Schild immer tiefer in die Brust der Vampirin. Schon spürte der Paladin, wie die Rippen brachen. Und auch wie der „Herzschlag“ der Vampirin durch den Stahl seines Schildes vibrierte. Sofern man ihn solch einen schimpfen konnte. Denn es mutete mehr wie das vollständige Gegenteil an, welches dem Paladin schwerfiel, zu umschreiben. Am ehesten glich es dem Gähnen eines Abgrundes.
8
Ein helles Zischen erklang und die eingeklemmte Vampirin ging in Flammen auf. Heilige Feuer zerfraßen ihren Leib, ließen ihn vollkommen zu Asche zerfallen. Während seine drei Brüder Ludwig losließen und zurückwichen, ihm so seine Bewegungsfreiheit zurückgebend, behielt er das blau schimmernde, freischwebende Gehirn vor sich im Auge, welches sogleich versucht, davon zu schweben. Doch diese Flucht unterband der Paladin geschwind, indem er sein Schild erneut in die Wand rammte und so das frei umherwedelnde Rückenmark einklemmte. Ehe die Vampirin etwas anderes versuchen konnte, sauste schon an dem Helm des Paladins eine geweihte Speerspitze vorbei und bohrte sich tief in das Gehirn hinein.
9
Jede Regung stoppte in den Nerven. Paladin Ludwig wartete noch einige Momente ab, um nicht einer letzten List zum Opfer zu fallen. Als das Gehirn der Vampirin begann, seine Form zu verlieren, auseinanderzufließen, lockerte er seinen Schild und ließ von der Wand ab. „Du stach wahr, mein Bruder“, sagte er anerkennend zu seinem Kameraden, während dieser von seiner Lanzenspitze das Gehirn abschüttelte.

Der nächste Teil der Geschichte wird in zwei Wochen, am 10. Oktober 2025, veröffentlicht.

Admin - 09:06:36 @ Erzählung, Fiktion in Fiktion | Kommentar hinzufügen

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