2025-10-10
1
Die acht in einer engen Zelle kauernden Gefangenen erschreckten sich zu Tode, als eine Axtklinge sich durch das Holz der schweren Zellentür schlug. Sogleich verschwand sie, nur um sogleich einen weiteren Spalt zu schlagen. Dann noch einen. Und noch einen. Im rasanten Takt wurde das Holz auseinandergeschlagen, bis die Tür zusammenbrach und eine gewaltige Gestalt, so groß und breit wie ein Bär eintrat. Vollkommen füllte sie den steinernen Rahmen der ehemaligen Tür aus und sperrte das karge Licht der Fackeln des Ganges hinter sich aus, sodass das Antlitz im Dunkel verblieb. Erst als ein kugelförmiges, starkes Licht über der Schulter der Gestalt erschien, wehte genug Schein in die Kammer, um sie zu sehen. Und erneut erschraken die Gefangen, denn für einen Herzschlag schien es, als wäre die Gestalt wahrhaftig ein Bär. Aber selbst als sie erkannten, dass es sich in Wahrheit um einen Bärenpelz, dessen Kopf dem Mann als Helm diente, handelte, fanden sie keine Erleichterung, denn dieser Pelz, der über die gewaltigen Muskeln des darunter vollkommen nackten Leibes strömende Schweiß und der animalische Blick verrieten eines: Dies war ein Berserker.
2
„Du musst doch selbst in deinem Pilzwahn vernommen haben, dass wir den Schlüssel bereits gefunden haben“, äußerte eine Frauenstimme, die wie reißender Samt klang, denn ihre Sanftheit wurde von Erschöpfung, Angespanntheit und Verärgerung aufgerissen. „Schlüssel sind für Schwächlinge!“, brüllte der Mann, seine kräftigte Stimme in der engen Zelle wie ein Bär tobend. „Wahre Krieger Thors kämpfen sich immer einen Weg frei.“ Er trat in die Zelle ein und hinter ihm folgte, einen tiefen, resignierten Seufzer ausstoßend, eine Frau in der Tracht einer Frau Gottes, einer Nonne. Jene Tracht schien ursprünglich weiß und rein gewesen zu sein, doch nun war diese mit unzähligen Blutflecken überzogen. Welche allesamt langsam größer wurden, doch dies schien die Nonne überhaupt nicht zu bekümmern. Stattdessen schwenkte sie ihren goldenen Stab, auf dessen Kopf die kleine Statue eines Lammes lag, von dem das Licht ausging.
Die Nonne machte Anstalten, sich um die Gefangenen zu kümmern, doch der Berserker schob sie mit einem kräftigen Griff hinter sich zurück, wobei er sagte: „Ich rieche etwas Hohles.“ „Dann erschlage es aber ohne …“, wollte die Nonnen protestieren, doch da stürzte sich der Berserker schon auf die erste Gefangene. Die in schmutzige Lumpen gehüllte Frau wurde vollkommen überrascht, sodass sie es nicht einmal auf die Füße hoch schaffte. Nur einen entsetzten Schrei konnte sie ausstoßen, der sich in scharfen Schmerz verbog, als der Berserker mit seiner Axt ausholte und ihr einen Schnitt in die rechte Schulter verpasste. Sogleich ließ er von ihr ab und stürzte sich auf den nächsten, einen Mann, der rechtzeitig aufstand und seine Hände vergeblich als Schutz erhob. Diesmal schlug der Berserker aber nicht mit seiner Axt aus, sondern packte mit seiner freien Hand einfach eines der Handgelenke des Gefangenen und drückte fest zu. Ein furchtbares Knacken ertönte und der Mann schrie auf, während der Berserker einfach von ihm abließ und sich auf den nächsten der Gefangenen stürzte, die allesamt nun inzwischen realisierten, was geschah, und versuchten, jedes bisschen Stück Platz in der engen Zelle zur Flucht zu nutzen. Einer der Gefangenen versuchte, an dem Berserker vorbeizuflitzen, während hinter ihm eine Frau verzweifelt schrie: „Hadmar, lass mich nicht zurück!“ Es sollte offenbleiben, ob dieser Hilferuf erhört war oder nicht, denn der Berserker war schneller und mit einem kräftigen Schwenk mit der Axt schnitt er auch diesen Gefangen, in dessen Fall entlang der Brustseite. Und auch dieser Mann schrie, doch diesmal erwies sich die Reaktion des Berserkers als eine andere. Denn diesmal ließ er nicht ab und schlug erneut nach dem Mann. Jener Schlag hätte sich tief in die Brust des Gefangenen gefressen, wenn dieser nicht mit unmenschlicher Gewandtheit zurückgewichen wäre. Allerdings genügte dies nicht, um der animalischen Gewalt des Berserkers zu entkommen. Dem dritten Schlag gelang es, die Klinge in die Brust zu rammen, wo sie dann aber stecken blieb. Dies konnte aber die Tobsucht des Berserkers kaum dämpfen. Er ließ seine Waffe los, packte den Hals des Vampirs mit seiner linken Pranke und rammte ihn in die nahe Kerkerwand. Die Hände des Ungeheuers schlugen nach ihm aus und dank der unmenschlichen Kraft konnten die Finger die Haut auf seinem Arm aufreißen, doch dies bekümmerte den Berserker wenig. Mit einem tiefen Lachen erhob er seinen rechten Arm, die Faust ballend, und verkündete: „In Thors Namen gibt es nun vollen Donner aufs Maul!“ Kleine blaue Blitze begannen wie Aale über die Muskeln seines rechten Armes zu gleiten, dann schlug er zu. Ein Donner knallte in der Zelle eingesperrt wie eine Bestie in einem zu engen Käfig. Die restlichen Gefangenen drängten sich an die Kerkerwände, während die Nonne dem Ganzen mit einem festen, angespannten Blick beiwohnte. Sie wendete nicht einmal den Blick ab, als das schlagende blaues Licht für einen Herzschlag das goldene Licht ihres Stabes verdrängte, sich sicher dabei auch in ihre Augen bohrend.
3
Direkt in das Gesicht des Vampirs schlug der Berserker. Und dann noch einmal, während es sich wiederherstellte. Und noch einmal. Bis die Nonne etwas brüllte. Ihre Worte konnte man aufgrund des Knallens der heiligen Blitze nicht hören, doch der Berserker hielt inne, was diesen es ermöglichte, ihre Bedeutung als auch die in ihnen schwingende Frustration zu entfalten: „In die Brust, du elender Narr! Du muss in die Brust schlagen! Da ist das Herz, gottverdammt noch einmal.“ „Ach, ja, stimmt“, vernahm es der Berserker, während der gepackte Vampir weiterhin nach ihm ausschlug. Dann holte er wieder aus und rammte seine Faust in die Brust des Ungeheuers. Immer wieder und immer schneller werdend, bis der einzelne Schlag wie ein wahrhaftiger Blitz verschwamm. Die Wucht und die Hitze der blitzummantelten Schläge konnten zwar nicht die Nerven des Vampirs brechen, doch sie konnten, während sie das Fleisch zerfetzten und die Rippen brachen, sie verbiegen, sodass sie sich in das Herz des Vampirs drückten. Sogleich zerfiel der Körper des Ungeheuers in einem Schwall von sich auflösendem Blut und Fleisch, sodass das freischwebende Gehirn mit seinen Nerven verblieb. Nun anstatt des Halses, das obere Ende des Rückenmarkes gepackt habend, zog der Berserker es einmal kräftig nach unten, bevor er losließ. Ehe das Gehirn des Vampirs davonfliegen konnte, rammten sich beide Fäuste in dessen Seiten und zerdrückten es mit kombinierter Wucht wie eine Presse, sodass es sogleich zerplatzte wie eine Schweineblase.
Der nächste Teil der Geschichte wird in weniger als zwei Wochen, am 22. Oktober 2025, veröffentlicht.
Admin - 09:06:52 @ Erzählung, Fiktion in Fiktion | Kommentar hinzufügen